Berlin. Neuköllns Jugendstadtrat beklagt, dass das Verbotsverfahren gegen den Trägerverein der Al-Nur Moschee nicht voran kommt.

Sie gilt als der Salafistentreff in Neukölln: die Al-Nur Moschee. Gegründet wurde sie 1986. Aber ansonsten ist nicht viel über das muslimische Gotteshaus bekannt, das vom Berliner Verfassungsschutz beobachtet wird. Nicht einmal über die genaue Mitgliederzahl liegen dem Land Berlin Angaben vor, wie nun eine Anfrage des SPD-Politikers Tom Schreiber an die Senatsverwaltung für Inneres und Sport ergab. Nur so viel: 1991 hatte die Moschee laut Vereinsregister 6 Mitglieder, 1993 dann 7 bis 13 und 2005 etwa 20 bis 26. Aktuelle Zahlen liegen nicht vor.

Auch über die Predigten, die traditionell freitags in der Moschee gehalten werden, ist wenig bekannt. Aber das, was nach außen dringt, ist höchst alarmierend. Im Juli 2014 hatte etwa ein Gastredner in der als Radikalen-Treff bekannten Gebetsstätte im Neuköllner Industriegebiet gegen Juden gehetzt. Allah möge die israelischen Soldaten bis zum allerletzten Mann töten, so der Mann. Etwa ein halbes Jahr später behauptete ein weiterer Gastredner in der Al-Nur-Moschee, dass eine Frau sich sexuell niemals ihrem Ehemann verweigern dürfe.

Und auch die Senatsverwaltung teilte nun mit: "Bei der Al-Nur-Moschee handelt es sich um eine von Salafisten dominierte Einrichtung. Sowohl der Vorstand als auch die als Hauptakteure bekannten Personen sind dem politischen Salafismus zuzuordnen. In der Vergangenheit boten die Moscheebetreiber wiederholt salafistischen Predigern eine Plattform, um frauenfeindliche, homophobe und antisemitische Standpunkte öffentlich zu äußern." Dem Land Berlin ist die Gefahr also bekannt. Warum trotzdem nichts unternommen wird? Unklar. Der letzte Satz der Antwort der Senatsverwaltung auf Schreibers Anfrage lässt einen dann dementsprechend ratlos zurück: "Allerdings wird die Al-Nur-Moschee überwiegend von Personen besucht, die nicht dem salafistischen Spektrum zuzurechnen sind."

Der Zugang zur Al-Nur-Moschee in Neukölln (Archivbild).
Der Zugang zur Al-Nur-Moschee in Neukölln (Archivbild). © picture alliance / dpa | dpa Picture-Alliance / Paul Zinken

Liecke fordert: Der Senat muss endlich handeln

Die Al-Nur-Moschee empfängt zum Freitagsgebet immer noch regelmäßig um die 1000 Besucher. Es gibt regelmäßige Feste, Koran-Unterrichte für die Kleinsten und ein eigenes „Frauen-Programm“. Das aber will Neuköllns Jugendstadtrat Falko Liecke (CDU) nicht weiter hinnehmen. Denn er ist sich sicher: Bis zu 200 Kinder besuchen die Moschee pro Woche. Das teilte er nun in einer Pressemitteilung mit. Und sagte weiter, dass der Bezirk keine Eingriffsmöglichkeiten habe. Seine Forderung deshalb: "Der Senat muss handeln."

Hintergrund: Bereits im Februar 2015 hatte die Neuköllner Bezirksverordnetenversammlung beschlossen, sich für einen Verbotsantrag des Trägervereins der Al-Nur Moschee einzusetzen. Selber eingreifen kann das Bezirksamt aber nicht, da der Verein keine öffentlichen Mittel bezieht, so der Jugendstadtrat. Liecke fordert den Senat deshalb auf, endlich zu handeln: "Fast vier Jahre nach der Einleitung des Verbotsverfahrens hat der Senat noch immer keine Maßnahmen getroffen, um Gewaltverherrlichung, Menschen- und Frauenverachtung in dieser Moschee zu unterbinden. Währenddessen werden Woche für Woche vermutlich hunderte Kinder indoktriniert. Mitten in unserer Stadt könnte so die nächste Generation von Salafisten ausgebildet werden."

Salafistisches Gedankengut bei den Mitgliedern?

Der nicht unbedingt radikalste, wohl aber der größte und vielleicht einflussreichste Treffpunkt der Berliner Salafisten-Szene kann also momentan weiter Handeln, wie er will. Aufrufe zum bewaffneten „Dschihad“ sind in der Moschee zwar nicht zu hören, und von Terroranschlägen haben sich die Moschee-Oberen und Prediger immer wieder distanziert. Beobachter, die sich um ein tolerantes Miteinander sorgen, sehen die Moschee dennoch weiterhin kritisch.

In Sicherheitsbehörden heißt es, dass die Predigten zwar nicht im juristischen Sinne verfassungswidrig sind, aber weiterhin von der salafistischen Ideologie geprägt seien. Das Frauenbild sei nicht vom Gedanken der Gleichberechtigung geprägt – sondern von den salafistischen Vorstellungen, wie sie etwa in Saudi-Arabien praktiziert würden. Um die Angebote der Gemeinde wahrnehmen zu können, würden fundamentalistisch denkende Muslime mittlerweile sogar gezielt in das Einzugsgebiet der Al-Nur-Moschee ziehen. Die Parallelgesellschaft verfestige sich.

Neben der Al-Nur-Moschee bietet auch die vom Verfassungsschutz beobachtete Dar-As-Salam Moschee in Neukölln Kurse für Kinder und Jugendliche an. Darauf hatte das Bezirksamt bereits im April 2018 hingewiesen, so Liecke.