Berlin. Offiziell finden an Berlins Schulen nur rund zwei Prozent der Stunden nicht statt. Konkret sieht es wohl anders aus.

An Berliner Schulen fallen durchschnittlich zwei Prozent des Schulunterrichts aus. Das ist schon seit Jahren so und klingt nicht nach viel. Nun wurde diese Zahl aber genauer aufgeschlüsselt. Danach fällt an manchen Schulen kaum Unterricht aus, dafür liegt der Schnitt an anderen Schulen weit über zehn Prozent. Das berichtet jetzt „RBB/24“ nach einer Datenanalyse.

Spitzenreiter beim Unterrichtsausfall ist demnach mit 13,7 Prozent die Ebereschen-Grundschule in Marzahn, gefolgt von der Julius-Leber-Schule, einer Integrierten Sekundarschule in Reinickendorf, und der Klosterfeld-Grundschule in Spandau, bei der 10,6 Prozent des Unterrichts ausfallen. Auffällig ist, dass sich unter den zehn Spitzenreitern des Unterrichtsausfalls acht Grundschulen befinden.

Dass gerade Grundschulen vom Unterrichtsausfall stärker betroffen sind, habe seinen Grund, sagt Nuri Kiefer, Leiter des Vorstandsbereiches Schule der GEW Berlin und selbst in einer Schulleitung tätig. Denn hier herrsche akuter Lehrermangel. „An Gymnasien und Sekundarschulen fällt weniger aus, weil dort der Lehrermangel nicht so groß ist“, sagte Kiefer.

Grundsätzlich steht Kiefer der Statistik aber skeptisch gegenüber, die schon seit Jahren einen gleichbleibenden Unterrichtsausfall von durchschnittlich zwei Prozent an Berliner Schulen registriert. „Die Statistik ist eigentlich nicht brauchbar. Sie bildet nicht die Realität ab. Das wahre Ausmaß ist deutlich größer“, meint er. Problem sei, dass die Schulen eigenverantwortlich den Ausfall meldeten. „Manche Schulen sind da sehr akkurat, andere weniger.“ Vielleicht scheue sich manche Schule vor ehrlichen Angaben, denn für Eltern ist Unterrichtsausfall ein Alarmsignal. „Das fällt dann womöglich negativ auf die Schule zurück.“

Senatorin Scheeres sieht Schulleitung in der Pflicht

In der Senatsverwaltung für Bildung betont man, dass Schulen mit viel Unterrichtsausfall Einzelfälle seien. Man müsse da genau auf die Ursachen schauen. „Wenn immer wieder viele Lehrkräfte krank sind oder vielleicht auch die gleichen Lehrkräfte, dann muss man sich ein bisschen tiefer damit auseinandersetzen, ob das auch etwas mit der Schule selbst zu tun hat“, sagte Senatorin Sandra Scheeres (SPD) dem „RBB“. Darauf reagiert nun Nuri Kiefer von der GEW: „Anstatt mit dem Finger auf die Schulleitungen zu zeigen, sollte die Senatorin sich zuerst mit ihren eigenen Versäumnissen beschäftigen. Es fehlen überall Lehrkräfte – auch für Vertretungen. Der Lehrkräftemangel war seit Jahren absehbar, doch die SPD und Frau Scheeres haben ihn ignoriert.“ Viele Lehrer seien am Rande ihrer Kräfte. Jede Vertretung bedeute für die anderen Lehrer an der Schule in der Regel unbezahlte Mehrarbeit.

Aber wie entsteht der Ausfall konkret? Anruf bei der Julius-Leber-Schule in Reinickendorf, deren Ausfall im letzten Schuljahr bei 10,7 Prozent lag. Schulleiter Roger Jungmann nennt die Gründe. In zwei Schuljahren seien sieben Kolleginnen wegen Schwangerschaft ausgefallen, einige wegen Risikoschwangerschaft sogar „von jetzt auf gleich“, so der Schulleiter. „Deshalb ist die Statistik so hoch.“ Er freue sich für seine Pädagoginnen, die nun Nachwuchs bekommen. „Aber man weiß nicht, wo man so schnell neue Kollegen herbekommen soll.“ Im Rahmen des Möglichen, so Jungmann, leisten seine Lehrkräfte Mehrarbeit. „Das geht aber nur begrenzt.“

Eine Personalreserve würde Abhilfe schaffen

Denn die Personalausstattung der Integrierten Sekundarschule liegt nur bei 90 bis 92 Prozent. Eine zusätzliche Belastung für die Pädagogen kann auch dazu führen, dass der Krankenstand steigt. Er habe angefangen, Personal in Berlin zu suchen, „aber das ist sehr beschwerlich.“ Die Lösung wäre eine Personalreserve, meint Roger Jungmann. „105 bis 110 Prozent, das wäre gut.“ In der Julius-Leber-Schule bekommen 400 Schüler Unterricht. Derzeit sind 41 Lehrkräfte aktiv im Einsatz. „Sie stöhnen über die Mehrbelastung“, sagt der Schulleiter.

Gerade bei Grundschulen ist auch die Zahl der Vertretungsstunden interessant. Spitzenreiter ist hier die Lemgo-Grundschule in Kreuzberg mit 41,2 Prozent, in der Grundschule an der Mühle in Marzahn beträgt die Rate 28 Prozent. Warum so hoch? Grundschulen können die Schüler nicht vorzeitig entlassen, haben eine andere Aufsichtspflicht. Die Folge davon ist, dass Vertretungsstunden oft fachfremd gefüllt werden: mit Arbeitsblättern, einer Spielstunde oder mit einem Film. Norman Heise, Vorsitzender des Landeselternausschusses, kennt das Problem. „Wir wünschen uns mehr Lehrkräfte und weniger Ausfall“, sagt er deshalb.

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